Aus dem Archiv: Dezember 2013

Stellungnahme des Aachener Friedenspreises zum Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird die Militarisierung Deutschlands und die Vorbereitung von Kampf- und Kriegseinsätzen der Bundeswehr in aller Welt festgeschrieben.

Aachen, im Dezember 2013:

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD
wird die Militarisierung Deutschlands und die Vorbereitung von Kampf- und
Kriegseinsätzen der Bundeswehr in aller Welt festgeschrieben.

Friedenspolitisch ist der Schwarz-Rote Koalitionsvertrag ein Rückschritt. Durchaus bezeichnend ist, dass das Wort Frieden seit mindestens 15 Jahren erstmals in keiner Überschrift mehr auftaucht. Vielmehr wird einer weiteren Militarisierung der Gesellschaft sowie Expansions- und hegemonialen Bestrebungen unter Einsatz militärischer Mittel offen das Wort geredet.

Dass die friedenspolitischen Aspekte des Koalitionsvertrages in der aktuellen öffentlichen Debatte so gut wie nicht thematisiert werden, ist aus unserer Sicht mehr als bedauerlich. Dabei wird die Militarisierung der Gesellschaft im Koalitionsvertrag mit einem ganzen Maßnahmenkatalog vorangetrieben.

Bundeswehr (S.176) – Ein besonderes Augenmerk wird auf die Attraktivitätssteigerung und die Anerkennung der Bundeswehr in der Gesellschaft gelegt. Gleichzeitig soll der Zugang von Jugendoffizieren der Bundeswehr in die Schulen und Bildungseinrichtungen auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet, verstärkt und zu einer Selbstverständlichkeit werden. Das Ziel ist nicht nur, für die Bundeswehr zu werben und Soldaten zu rekrutieren, sondern allgemein eine
höhere Akzeptanz für Auslandseinsätze der Bundeswehr und deutsche Kriegsbeteiligungen in der Gesellschaft zu erreichen.

Kriegseinsätze (S.176,177) – Darüber hinaus sieht das Koalitionspapier durch die
Neuorientierung der Bundeswehr auch neue Kampf- und Kriegseinsätze und neue Einsatzziele vor. „Wir bekennen uns zu einer starken Verteidigung mit modernen und leistungsfähigen Streitkräften“, heißt es. Und weiter: „Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Mit ihrer Neuausrichtung wird sie auf die veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet … Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsätzen gefordert.“ Und es wird auch kein Hehl aus einer „zunehmenden Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene“ gemacht.

Rüstung (S.178) – Ein weiteres erklärtes Ziel ist die Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie und damit einhergehende Rüstungsexporte. Dazu wird festgestellt, dass Deutschland „ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ hat. Rüstungsexporte sollen wie bisher auch zur geopolitischen Einflussnahme genutzt werden. Alles in allem steht zu befürchten, dass mit der großen Koalition eine noch expansivere Rüstungsexportpolitik bevorsteht. Eine parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten ist auch in der kommenden Legislaturperiode nicht vorgesehen.

Starkes Europa (S.166) – Unter dem Titel „Starkes Europa“ heißt es zur  europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: „Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern.“ Des Weiteren wird auf eine gemeinsame Nutzung nationaler militärischer Kapazitäten im Rahmen der EU (Pooling & Sharing) und auf die Smart Defence der NATO verwiesen. Gemeinsame europäische Einsätze „zur Wahrung und Stärkung der Sicherheit Europas“ sollen vor allem „in unserer geographischen Nachbarschaft“ durchgeführt werden.

Frontex (S.109) – Und zu einem „Starken Europa“ gehört für Schwarz-Rot offenbar auch weiterhin eine aggressive, menschenverachtende Flüchtlingspolitik. Ganz im Sinne der Festung Europa und trotz der wiederholten humanitären Katastrophen vor Lampedusa setzt die Große Koalition weiter auf eine europäische Abschreckungspolitik und den weiteren Ausbau der Abwehrmaßnahmen an Europas Grenzen. Die Grenzschutztruppe Frontex zur Sicherung der EU-Außengrenzen soll vergrößert und mit weiteren Kompetenzen ausgestattet werden. Atomwaffen (S.170) – Die Forderung nach dem Abzug der NATO-Atomwaffen aus Deutschland ist im Gegensatz zu 2009 nicht mehr enthalten. Demgegenüber macht die  Schwarz-Rote Koalition den Abzug der Atomwaffen nun von „erfolgreichen“ amerikanisch-russischen Abrüstungsgesprächen abhängig. Damit bleibt der Koalitionsvertrag im abrüstungs- und rüstungspolitischen Bereich nicht nur hinter den Forderungen und Aussagen zurück, die von der SPD als Oppositionspartei formuliert worden waren, sondern stellt sogar einen Rückschritt im Vergleich zum Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition dar.

Die Umsetzung all dieser von der Großen Koalition geplanten Maßnahmen setzt den Weg fort, die Bundeswehr von einer ehemals reinen Verteidigungsarmee hin zu einer Armee im permanenten weltweiten Dauereinsatz zu verändern. Krisen und Konflikte sollen demnach in erster Linie militärisch gelöst werden.
Wir lehnen diese Regierungsziele entschieden ab. Sie stehen im Widerspruch zu einer Politik, der es um ein friedliches Zusammenleben der Völker geht. „Wer deutsche Interessen an Ressourcen und Handelswege in den Mittelpunkt stellt, wie der Koalitionsvertrag, wer so ungeniert von der deutschen Hegemonierolle in Europa als Teil einer aggressiven europäischen Politik in der Welt spricht, der kalkuliert auch immer den Einsatz der Bundeswehr und der NATO in Interventionskriegen ein – sei es weiterhin in Afghanistan oder in Afrika. Friedenspolitik sieht anders aus“, diesem Fazit von Reiner Braun von IALANA können wir uns nur anschließen.

Wir fordern stattdessen eine Rückbesinnung und Umkehr zu einer Friedensnation, die die Beseitigung von Konflikten durch zivile Konfliktlösungen anstrebt und einen totalen Exportstopp für deutsche Rüstungsprodukte sowie eine weltweite Abrüstung.

Der Vorstand

09. Dezember 2013

Themen: Allgemein, Presse

Aus dem Arbeitskreis Antimilitarisierung

Keine Forschung der RWTH Aachen für Kriegsministerien oder Rüstungsschmieden

Mit großem Befremden haben wir zur Kenntnis genommen, dass die RWTH Aachen für das Kriegsministerium der USA forscht. Einem Staat, der in vielen Ländern der Welt gegen jedes Völkerrecht Kriege führt und geführt hat.

Der Aachener Friedenspreis lehnt entschieden jegliche Forschung ab, die Kriegsführung vorbereitet oder unterstützt.

Gemäß dem Entwurf des neuen Hochschulzukunftsgesetzes (NRW) verpflichten sich die Universitäten zukünftig in Teil 1, §3 Absatz (6): „Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen und friedlichen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung …“ Der Aachener Friedenspreis begrüßt diese Selbstverpflichtung ausdrücklich.

Der Rektor der RWTH Aachen äußerte vor wenigen Tagen, nicht garantieren zu können, dass Forschungsergebnisse nur zivil genutzt werden. Uns ist die Gefahr des sogenannten „Dual-Use“ ziviler Forschungsergebnisse durchaus bekannt. Wenn aber Forschung explizit vom Pentagon, dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium, in Auftrag gegeben und bezahlt wird, liegt der Verwendungszweck unstrittig auf der Hand, nämlich Rüstungsproduktion und/oder effizientere Kriegsführung.

Insofern ist die Aussage von Herrn Schmachtenberg leider nichts weiter als ein verharmlosendes Versteckspiel.
Der Aachener Friedenspreis fordert daher die RWTH Aachen auf:

  • eine Zivilklausel einzuführen, die mit Nachdruck umgesetzt wird und jede weitere, von vorneherein klare Rüstungsforschung ausschließt;
  • ihre Forschungsaufträge und deren Auftraggeber umgehend offenzulegen, wie dies im übrigen andere Universitäten jüngst bereits getan haben;
  • zukünftig keine Forschungsaufträge von Unternehmen und Staaten mehr anzunehmen, die an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt sind.

Das bei Diskussionen über Rüstungsproduktion immer wieder vorgebrachte Argument der Gefährdung von vielen Arbeitsplätzen oder der Entwicklung neuer Technologien ist nicht stichhaltig. In den Bereichen Umweltschutz, regenerativer Energiemodelle, Klimaforschung und ziviler Konfliktbehandlung gibt es viele Forschungsfelder, die den Menschen dienen und deren Erkenntnisse unsere Welt friedlicher machen können.

Im Übrigen unterstützen wir die Forderung an die Bildungsministerien der Länder und des Bundes, mehr öffentliche Gelder für die Hochschulen für zivile Forschungszwecke bereitzustellen, um die Drittmittel-Forschung zu begrenzen.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn die RWTH Aachen als Exzellenz-Universität sich künftig auch durch Exzellenz in ethischer Verantwortung auszeichnen würde. Schließlich obliegt ihr die Bildung junger Menschen, die in der nächsten Generation unsere Gesellschaft maßgebend prägen werden.

05. Dezember 2013

Themen: Allgemein, Arbeitskreis Antimilitarisierung, Presse