Zum Hauptinhalt springen

Amirkabir NewsLetter (Iran)

Der Amirkabir Newsletter thematisiert Menschenrechte von Studierenden, dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an iranischen Universitäten und berichtet über die aktuelle Lage dort. Zudem veröffentlicht er kritische Analysen zur Hochschulbildung im Iran. Inhalte sind Aktionsaufrufe, ziviler Ungehorsam von Frauen, der Tod und das Verschwindenlassen von Studierenden, Bildungsentzug, Inhaftierung von Studierenden, Inhaftierung oder Entlassung von Lehrenden, Disziplinarmaßnahmen wie Ausschluss oder Zwangsexmatrikulation von Studierenden.

Der NewsLetter erscheint seit Ende der 1990er Jahre, zunächst nur als Mitteilungsblatt der Islamischen Vereinigung der Studierenden der Amirkabir-Universität. Er wurde von studentischen Aktivist*innen der Technischen Universität Amirkabir (Teheraner Polytechnikum) mit Unterstützung von Mitgliedern des Büros zur Stärkung der Einheit gegründet und unter dem Namen AKU-News veröffentlicht. Die Redaktion wurde jährlich mit der Wahl eines neuen Zentralrats für die Polytechnische Vereinigung gebildet.

Das Geheimdienstministerium der Islamischen Republik Iran übte wiederholt Druck auf den Amirkabir NewsLetter aus. So wurde beispielsweise Yashar Qajar, der für die Website des Newsletters verantwortlich war, im Jahr 2006 entführt und zentrale Dokumente wurden durch die Zerstörungdes Vereinsgebäudes vernichtet. Nach Qajars Verhaftung im Jahr 2009, gemeinsam mit weiteren Aktivist*innen, wurde er zu zwei Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, die Website des Amirkabir-Newsletters eingerichtet zu haben. Veröffentlichte Justizakten enthüllten weitere Anklagen durch Nachrichtendienste und die Staatsanwaltschaft.

Mit dem Aufkommen des Internets und bedeutenden gesellschaftlichen Ereignissen im Iran in den 2000er Jahren – wie dem Gedenken an den Anschlag auf das Wohnheim der Universität Teheran 1999, den Studiereendenprotesten gegen die Verurteilung von Haschem Aghajari zum Tode im Jahr 2002, den Teheraner Protesten Mitte 2003 und dem Boykott der Präsidentschaftswahlen 2005 – erweiterte der Newsletter seine Reichweite durch die Veröffentlichung im Internet. Er gilt als die erste digitalisierte iranische studentische Medienplattform.
Nach der Zerstörung des Büros der Polytechnischen Islamischen Vereinigung im Jahr 2006 wurde der Amirkabir Newsletter inoffiziell weitergeführt und entwickelte sich zu einer einflussreichen Stimme in der iranischen Studierendenbewegung der späten 1990er und frühen 2000er Jahre. Nach der Verhaftung von zehn Studierenden der Polytechnischen Hochschule im Jahr 2008 und der Sperrung der Website 20 Tage vor den Präsidentschaftswahlen 2009 nahm die Aktivität der Organisation jedoch ab. Trotz aller Herausforderungen war sie bis 2009 ein aktives studentisches Medienorgan geblieben.

In einem etwas freieren universitären Umfeld nahm der Amirkabir-Newsletter 2015 seine Aktivitäten in Form eines Telegram-Kanals und weiterer Social-Media-Präsenzen wieder auf.

Während der „Frau, Leben, Freiheit“ Bewegung im Jahr 2022 verstärkte er seine Bemühungen, indem er Menschenrechtsverletzungen an iranischen Universitäten, darunter auch an der Amirkabir University of Technology, aufdeckte. Die Berichte erreichten oft Hunderttausende von Aufrufen.

2023 veröffentlichte er vertrauliche Dokumente, darunter Listen unterdrückter Studierender, Anordnungen zur Besetzung von Fakultätspositionen mit regimetreuen Personen und Budgets zur Überwachung von Universitäten. Vor allem die Liste von 2.843 Studierenden, die von iranischen Sicherheitsorganisationen mit Repressionen belegt wurden, wurde im Bericht der Wahrheitskommission der Vereinten Nationen erwähnt.
Der Chefredakteur Ali Ramazani wurde 2023 unter Vorwürfen der Gefährdung der nationalen Sicherheit verhaftet. Ein Bericht des NewsLetters über die Unterdrückung von über 3.789 Studierenden und 58 Lehrenden seit Herbst 2022erregte 2024 beim Global Student Forum internationales Aufsehen.

Nach der brutalen Ermordung von AmirMohammad_Khaleghi, einem 19-jährigen Studenten an der Universität Teheran, brach eine Welle von Studierendenprotesten an allen Universitäten im Iran aus, die sich direkt gegen die Gesamtstruktur des Regimes der Islamischen_Republik richteten. Die Proteste eskalierten in Gewalt, als die Studierenden mit Repressionen konfrontiert wurden. Der Amirkabir Newsletter spielte eine zentrale und entscheidende Rolle bei dieser Protestwelle, indem er in Echtzeit berichtete, um die Stimmen der Studierenden in der internationalen Gemeinschaft zu verbreiten.

Am 2. November 2024 berichtete der Amirkabir NewsLetter exklusiv über Ahoo Daryaei, bekannt als das „Mädchen für Wissenschaft und Forschung“, eine Studentin der französischen Sprache und Literatur an der Islamic Azad University. Sie wurde während eines friedlichen Protests von einem Basidsch-Offizier brutal angegriffen, wobei die Sicherheitskräfte ihr gewaltsam die Kleidung zerrissen. In einem mutigen Akt des zivilen Ungehorsams zog Ahoo Daryaei daraufhin ihre gesamte Kleidung aus, protestierte öffentlich gegen die Gewalt und forderte Gerechtigkeit, während sie gleichzeitig auf ihre verletzten Rechte aufmerksam machte. Daraufhin wurde sie vom Geheimdienst des Korps der Islamischen Revolutionsgarden verschleppt.
Der Vorfall erregte schnell internationales Aufsehen, und große Medien wie The Guardian, Fox News und France 24 berichteten über den Vorfall. Innerhalb eines Monats beschloss das Europäische Parlament eine Menschenrechtsresolution, in der es die Rechte der Frauen gegenüber der Islamischen Republik betonte.

Die Publikation ist ein wichtiges Informationsmedium und eine unerlässliche Vernetzungsplattform für eine Protestbewegung, die weitgehend anonym im Untergrund arbeiten muss. Zahlreiche Repressionen, sichtbar in der oben aufgeführten Liste von Ereignissen und Themen des Newsletters, zwingen das Medium, im Verborgenen zu arbeiten, um sich selbst zu schützen und seine öffentliche Strahlkraft nicht zu gefährden.
Der Aachener Friedenspreis würdigt den Mut der Redaktion des Amirkabir Newsletters und möchte seine Reichweite und mediale Wahrnehmung weiter stärken und verstetigen, um die Proteste im Iran zu unterstützen und den Aktiven dort Rückhalt für ihren Einsatz zu geben.