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Offener Beschwerdebrief an die Chefredaktion der Aachener Nachrichten und Aachener Zeitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nehmen Bezug auf den Artikel, welchen Marlon Gego am 09.05.2018 auf Seite 2 der Aachener Nachrichten und der Aachener Zeitung veröffentlicht hat. Dieser Kommentar diskreditiert sowohl den Verein Aachener Friedenspreis e.V. als auch die mit unserem Preis ausgezeichneten Gruppierungen. Es handelt sich hier daher um eine offizielle Beschwerde über die Berichterstattung Ihrer Blätter zum diesjährigen Aachener Friedenspreis bzw. ganz Konkret über Herrn Marlon Gego.

Marlon Gego scheint leider einen Grundsatz des Journalismus nicht ausreichend verinnerlicht zu haben: In erster Linie sollte es immer darum gehen, sachlich und faktenbasiert zu berichten. Leider hat er schon in zahlreichen Artikeln der letzten Monate zum Braunkohleprotest im Rheinischen Revier bewiesen, dass er persönliche Meinungen schlecht von Fakten trennen kann. Seine Wortwahl ist oft sehr tendenziös und er neigt dazu, der Staatsgewalt nach dem Mund zu reden bzw. Menschen ohne Beweise zu kriminalisieren.

Mit dem Aachener Friedenspreis hat Herr Gego sich nun offenbar ein neues Ziel gesucht. Auch hier steckt er Initiativen, die zivilen Ungehorsam, bissige Satire und Provokationen als Protestformen einsetzen, in eine extremistische und kriminelle Schublade. Entweder, Herr Gego hat ein großes Problem mit seinem Ironiedetektor und kreativ-satirischer Anprangerung von kritikwürdigen Umständen, oder aber er hat ein sonderbares Demokratieverständnis.

Ziviler Ungehorsam ist unserer Meinung nach ein Kernelement von außerparlamentarischer Opposition, Meinungsäußerung und Protest. Er ist somit ein wichtiges politisches Korrektiv, denn Menschen artikulieren damit ihre Meinungen und Bedürfnisse, zu deren Durchsetzung einfaches Wählengehen oft nicht genügt. Gesellschaft und Politik müssen manchmal auch etwas härter mit der Nase auf brennende Themen gestoßen werden, damit diese nicht weiter ignoriert werden können. Dazu sind Mittel der Satire und Provokation genauso legitim wie friedliche Blockaden und Besetzungen. Die Überschreitung von Gesetzen automatisch als unfriedlich zu verurteilen, selbst wenn sie vollständig ohne Gewalt passiert, entmündigt und lähmt beinahe jede Protestform abseits von klassischen Demonstrationszügen.

Der Aachener Friedenspreis e.V. hat sich 2017 mit großer Mehrheit hinter die gewaltfreien Proteste des Jugendnetzwerks für politische Aktionen (JunepA) gestellt und sich dieses Jahr mit ebenso breiter Zustimmung für die Preisverleihung an das Peng!-Kollektiv entschieden. Aktionen friedlichen, zivilen Ungehorsams sind in der Mitgliedschaft Konsens und werden als Pluspunkt für die jeweiligen Gruppen gewertet. Sie erfordern genau die Zivilcourage, die der Aachener Friedenspreis fördern und unterstützen will. Manchmal braucht es gezielte, gewaltfreie Gesetzesbrüche, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen. Egal, ob es um Atomwaffen, Braunkohle, Truppenübungsplätze oder soziale Ungerechtigkeit geht: Ohne zivilen Ungehorsam wäre z.B. die Rassentrennungspolitik in den USA nie abgeschafft worden.

Eine Demokratie, in der ziviler Ungehorsam kriminalisiert und unmöglich gemacht wird, verliert ein wesentliches Mittel der freien Meinungsäußerung und ein sehr kraftvolles Mitbestimmungsinstrument. In der Form von Demokratie, die Herr Gego sich scheinbar wünscht, möchten wir nicht leben.

Mit friedlichem Gruß

Lea Heuser für den Vorstand des Aachener Friedenspreis e.V.