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Ludwig Baumann † und die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz

Einsatz für Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure

Als Sohn eines Tabakgroßhändlers trat Ludwig Baumann nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland weder der Hitler-Jugend noch einer anderen Organisation der NSDAP bei. Als 19-Jähriger wurde Ludwig Baumann in die Wehrmacht eingezogen. Bereits am 3. Juni 1942 desertierte er zusammen mit Kurt Oldenburg bei Bordeaux / Frankreich aus Hitlers Armee. Nach dem Krieg erklärte er zu seinen damaligen Motiven: „Ich hatte erkannt, dass es ein verbrecherischer, völkermörderischer Krieg war.“ Bereits am der Desertion folgenden Tag wurde er von deutschen Grenzposten gestellt. Obgleich Baumann bei seiner Festnahme bewaffnet war, ließen er und Oldenburg sich – aufgrund ihrer gewaltfreien Gesinnung – widerstandslos festnehmen. Am 30. Juni 1942 wurde Ludwig Baumann wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt. Davon, dass die Todesstrafe in eine 12jährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde, erfuhr er erst nach Monaten, die er in Todesangst verbracht hatte. Jeden Morgen rechnete er mit seiner Hinrichtung. Der junge Mann wurde zunächst in das KZ Esterwegen, eines der berüchtigten Moorlager im Emsland, und später in das Wehrmachtgefängnis Torgau eingeliefert. In Torgau erlebte er, wie Tausende andere Deserteure hingerichtet wurden.

Sein Schicksal teilte er im weiteren Verlauf des 2. Weltkrieges mit weiteren Opfern der NS-Militärjustiz, die in das „Bewährungsbataillon 500“ an die Ostfront gezwungen wurden. Trotzdem überlebte Baumann den Krieg. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft in Russland hatte er es schwer in einer Gesellschaft, in der Deserteure noch immer als „Feiglinge“ geächtet wurden.

Schließlich begann Ludwig Baumann, sich in der Friedens- und Dritte Welt-Bewegung zu engagieren. 1990 gründete er mit etwa 40 noch lebenden Wehrmachtsdeserteuren und einigen engagierten Wissenschaftlern und Historikern die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, um eine Aufhebung der Unrechtsurteile gegen Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“, Selbstverstümmeler und andere Opfer der NS-Militärjustiz durchzusetzen sowie deren vollständige Rehabilitation zu erreichen. 2002 wurde dieses Ziel mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege erreicht. Im Laufe der Anerkennung war er an mehreren parlamentarischen Debatten und Beratungen in Bundestagsausschüssen aktiv.

Zusätzlich zu diesem Einsatz für Deserteure und andere von der NS-Gerichtsbarkeit Verfolgte setzt sich Ludwig Baumann in der Friedensbewegung ein. An jedem Einberufungstermin versucht er mit jungen Männern, die auf dem Weg in die Kaserne sind, ins Gespräch zu kommen. Seine Botschaft an die Einberufenen: „Leistet Widerstand, wenn ihr Befehle bekommt, denen ihr im zivilen Leben nicht folgen würdet.“

Im Jahre 1994 wurde Ludwig Baumann mit dem „Sievershäuser Friedenspreis“ und 1995 mit dem „Aachener Friedenspreis“ ausgezeichnet. 2007 erhielt er den Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon, Bremen.